Wenn das Leben an uns ruckelt – warum innere Balance so entscheidend ist
Es gibt Tage, da läuft alles rund. Und es gibt diese anderen. Die, an denen schon ein einziger Moment reicht – eine E-Mail, ein Satz, ein Blick – und wir geraten ins Wanken. Oft merken wir gar nicht, wie schnell das geht. Wie schnell wir raus sind aus der inneren Mitte. Und das liegt nicht nur am Außen, sondern vor allem an dem, was in uns wirkt: unsere Persönlichkeit, unsere Bedürfnisse, unsere unbewussten Muster.
Unsere Persönlichkeit – ein Kaleidoskop innerer Anteile
Unsere Persönlichkeit hat viele Facetten. Manche davon sind uns sehr vertraut, andere wirken eher aus dem Hintergrund. Im tiefsten Inneren werden wir alle von bestimmten Grundbedürfnissen angetrieben. Der Neuropsychologe Klaus Grawe beschreibt in seinem Konsistenzmodell vier fundamentale psychologische Bedürfnisse:
- Bindung – das Bedürfnis nach Nähe, Sicherheit, Verbindung
- Orientierung und Kontrolle – der Wunsch nach Klarheit, Einfluss und Stabilität
- Selbstwerterhöhung und -schutz – das Streben nach Anerkennung und Bedeutung
- Lustgewinn und Unlustvermeidung – der Drang nach Freude, Leichtigkeit und Entlastung
Diese Bedürfnisse sind tief in uns verankert. Und meistens haben wir eine gewisse Vorliebe – wir bewegen uns bevorzugt in einem dieser Räume, während andere leerer bleiben. Das ist menschlich. Aber es bringt uns in Schieflage.
Die innere Disbalance – und was sie mit Resilienz zu tun hat
Wenn ein Bedürfnis überbetont wird und andere zu kurz kommen, entsteht eine innere Unruhe. Manchmal spüren wir sie kaum, manchmal trifft sie uns mit voller Wucht – als Irritation, Überforderung oder gar Krise.
Resilienz beginnt genau hier: In der Fähigkeit, diese feinen Signale wahrzunehmen. Uns selbst zu beobachten. Zu spüren, wo wir gerade sind – und was wir eigentlich gerade brauchen.
Bewusstsein ist der erste Schritt zur Balance. Und wie Sebastian Mauritz so schön sagt: „Alles, was du tust, sollst du aus einem guten Zustand heraus tun.“ Doch in der Realität handeln wir oft nicht aus einem guten Zustand heraus. Sondern aus Stress, aus Autopilot, aus Gewohnheit.
Reflexion vor Aktion – oder: Die E-Mail am Abend
Ich erinnere mich gut an eine typische Situation: Abends noch schnell die Mails checken – eigentlich schon müde. Und dann ist sie da: diese eine Mail, die mich direkt trifft. Der Ärger steigt auf. Ich spüre, wie innerlich das Feuerschwert geschwungen wird.
Heute weiß ich: Es war nicht die Mail. Es war das, was sie in mir angetriggert hat. Ein Wert, der verletzt wurde. Ein Bedürfnis, das zu kurz kam. Früher hätte ich vielleicht sofort geantwortet – mit Wut, mit Trotz, mit Druck. Heute halte ich inne. Ich schaue hin. Ich frage mich: Was ist gerade wirklich los in mir?
Ich habe gelernt: Nicht jede Reaktion ist eine gute Antwort. Und: Reflexion vor Aktion spart oft Kraft – und schafft Verbindung zu mir selbst.
Resilienz 4.0 bedeutet nicht, perfekt zu funktionieren.
Sondern ehrlich hinzuschauen. Uns selbst zu kennen. Und aus dieser Tiefe heraus bewusste, wertvolle Entscheidungen zu treffen. Bewusst.
Wertvoll. Leben. – das ist kein Ziel. Es ist ein Weg. Und jeder Schritt zählt.