Dein Leben. Deine Resilienz.
Über die kleinen und großen Krisen, die uns stärker machen
Es gibt Momente im Leben, die prägen sich tief ein. Einer dieser Momente war für mich der Tag, an dem ich mit dem Fahrrad stürzte – mitten in der Corona-Zeit. Ich erinnere mich genau: Es war eigentlich nur eine kleine Runde, Bewegung, frische Luft. Und dann – ein Augenblick, ein Sturz, zwei gebrochene Arme.
Plötzlich ging nichts mehr. Kein Zähneputzen. Kein Schreiben. Kein Kaffeehalten. Und vor allem: kein unabhängiges Leben mehr. Ich war von jetzt auf gleich auf Hilfe angewiesen – und musste mich mit einer völlig neuen Rolle auseinandersetzen: der Rolle des Hilfsbedürftigen. Und eine Frage habe ich mir gestellt : wie stark ist meine Resilienz im Ernstfall ?
Das war mehr als nur ein körperlicher Einschnitt. Es war ein emotionaler Umbruch. Ich fragte mich: Wie soll das jetzt weitergehen? Wie lebe ich mein Leben, wenn ich nicht mal die einfachsten Dinge tun kann? Wie belastbar bin ich wirklich, wenn es darauf ankommt?
Was mir damals geholfen hat, waren zwei Dinge: Freundschaft und mein innerer Optimismus. Menschen, die da waren – ohne großes Aufheben. Und dieser kleine Funke in mir, der sagte: Es wird weitergehen. Irgendwie.
Wenn das Leben aus dem Takt gerät
Ich glaube, wir alle kennen solche Momente, siehe auch meinen letzten Blogbeitrag.
Nicht immer sind es körperliche Verletzungen. Manchmal ist es die erste große Liebeskrise. Eine berufliche Veränderung, die uns verunsichert. Oder ein Verlust im privaten Umfeld, der uns den Atem nimmt.
In solchen Momenten stehen wir da – oft wortlos, manchmal wütend, manchmal einfach nur leer. Aber wir stehen da. Und irgendwann gehen wir auch wieder weiter.
Ich frage mich heute oft: Was hat mich eigentlich durch diese Zeiten getragen?
Der amerikanische Psychologe George Bonanno hat Resilienz einmal ganz nüchtern beschrieben – und dabei mit einem weitverbreiteten Irrtum aufgeräumt.
Resilienz, so sagt er, ist keine außergewöhnliche Fähigkeit. Sie ist der Normalfall.
Die allermeisten Menschen – rund zwei Drittel, wie Bonanno in seinen Langzeitstudien gezeigt hat – kommen nach schweren Belastungen relativ schnell wieder ins Gleichgewicht. Nicht, weil sie „super stark“ sind. Sondern, weil unser psychisches System auf Erholung programmiert ist.
Dieser Gedanke hat etwas Beruhigendes. Wir müssen nicht alles sofort verstehen, verarbeiten oder einordnen. Es reicht, weiterzugehen. Schritt für Schritt. Und genau das haben wir alle schon getan – oft, ohne es bewusst zu merken.
Biografiearbeit – dein ganz persönlicher Resilienzkompass
Was ich im Rückblick gelernt habe: Es hilft, sich bewusst zu erinnern. Sich hinzusetzen und mal einen Lebens-Zeitstrahl aufzuschreiben. Die Höhen und Tiefen zu markieren. Sich ehrlich anzuschauen:
- Wann war ich in einer echten Krise?
- Was hat mir damals geholfen?
- Was habe ich daraus gelernt?
- Welche Ressourcen waren in mir – oder um mich herum?
Denn was einmal funktioniert hat, funktioniert oft auch ein zweites Mal. Oder wird zumindest zur wertvollen Erinnerung daran, dass wir nicht hilflos sind – auch wenn es sich im Moment so anfühlt.
Und dann kam mir dieses Zitat unter:
„Der beste Beweis für unsere Resilienz ist, dass wir noch am Leben sind.“
– Boris Cyrulnik
Was für ein Satz. Einfach. Klar. Und so tief. Er hat mich daran erinnert, dass wir nicht erst dann resilient sind, wenn wir alles im Griff haben oder „stark“ wirken. Sondern schon allein dadurch, dass wir weitergehen. Dass wir noch hier sind – trotz allem, was das Leben uns schon vor die Füße geworfen hat.
Dein Leben ist deine Resilienzgeschichte
Resilienz zeigt sich nicht auf der Bühne. Sondern im Alltag. In den kleinen Entscheidungen. In den Momenten, in denen wir uns aufrichten – obwohl wir müde sind. Weitermachen – obwohl wir zweifeln. Oder Hilfe annehmen – obwohl wir gerne unabhängig wären.
Dein Leben erzählt diese Geschichte.
Vielleicht nicht laut. Vielleicht nicht heroisch. Aber auf seine ganz eigene, wertvolle Weise.
Und wenn du gerade in einer Phase bist, in der du denkst, „Ich weiß nicht, wie das gehen soll“, dann erinnere dich an deinen eigenen Weg. An das, was du schon geschafft hast. An das, was in dir steckt. Und daran, dass du nicht allein bist.
bewusst. wertvoll. leben.
Das bedeutet für mich: ehrlich hinschauen, dankbar zurückblicken – und mit Zuversicht nach vorne gehen.
Denn manchmal ist genau das der erste Schritt zurück in die eigene Kraft.